– Das Paradies meines Nachbarn –

Nava Ebrahimi

Sina ist Produktdesigner, Ehemann und Vater. Sein Leben ist zufriedenstellend, aber seit einer ganzen Weile ziemlich festgefahren, die Beziehung zu Frau und Tochter hat er aus den Augen verloren.

Da erscheint eines Tages „Ali Najjar“ und wird der neue Chef in seiner Firma. Er rüttelt alle auf, entlässt einen Teil der Mitarbeiter und geizt nicht wenn es darum geht seine Geschichte des armen Flüchtlings, der furchtlos die Karriereleiter erklomm, zum Besten zu geben: 

Als Kindersoldat im Iran-Irak-Krieg hatte er genug gesehen und flüchtete mit 14 Jahren nach Deutschland.

„Ich habe nichts zu verlieren, und wenn man nichts zu verlieren hat, kann man alles erreichen.“

Ali erhält unerwartet die Nachricht eines Unbekannten, der ihn über den Tod seiner Mutter informiert und um ein Treffen in Dubai bittet – er hat einen Brief, den er persönlich überreichen will.

So kommt es, dass Ali begleitet von Sina, der Halbiraner ist, als Mittelsmann in den mittleren Osten fliegt.

Dieser Roman ist wirklich wirklich gut. Nava Ebrahimi erschafft zwei komplexe Figuren, die sich mit Identität, Schuld und Verantwortung für das eigene sowie das Leben anderer auseinandersetzen müssen.

Sprachlich auf den Punkt, klug und tiefgründig. Großartig erzählt mit einem bewegenden, intensiven Ende welches lange nachhallt.

– Da sind wir –

Graham Swift

„Da sind wir“….aber was genau tun wir da eigentlich und wo ist -da- ?!

Mit diesem Gefühl lässt mich dieses Buch von Graham Swift zurück.

Die Handlung verspricht eine hypnotisch und verführerisch elegant erzählte Geschichte über zwei Männer, die die gleiche Frau begehren.

Der „flinke Jack“ und der „große Pablo“ sind zwei helle Sterne am Showgeschäfthimmel. Mit Evie White als Assistentin scheint der Erfolg nochmals richtig Fahrt aufzunehmen.

Mit einem der beiden ist sie verlobt, mit dem anderen steigt sie ins Bett. Auf dem Zenit ihrer Karriere, droht nun alles in sich zusammenzubrechen. 

Leider war ich so gar nicht begeistert von diesem Buch. Auch wenn Swift einer der großen Romanciers der britischen Gegenwartsliteratur gilt, hat er mich hier eher ausgebremst, statt mitzunehmen.

Sprachlich und stilistisch zwar sehr schön, doch die Handlung hat mich gelangweilt. Man bekommt nur das was hinten bereits auf dem Klappentext zu lesen ist.

Durch die Erzählweise konnte ich keine Beziehung zu den Figuren aufbauen, weshalb immer eine große Distanz herrschte.

Hin und wieder blitzte eine Zeile auf, die mich hoffnungsvoll stimmte, doch es blieb bei kleinen Funken.

Ich werde Graham Swift aber noch eine Chance geben und mir „Letzte Runde“ besorgen, für den er 1996 den Man Booker Prize erhielt. Vielleicht war ja nur „Da sind wir“ nicht das richtige Buch für mich. 🤷‍♀️

– Der letzte Satz –

Robert Seethaler

„Es kam ihm vor, als läge das alles ein Leben weit zurück. Man schlägt einen Ton an, und der schwingt dann weiter im Raum. Und trägt doch schon das Ende in sich.“

Robert Seethalers „Der letzte Satz“ erzählt von Gustav Mahler, der seine letzte Reise von New York nach Europa per Schiff bestreitet.

Mahler, von Krankheit gezeichnet und gepeinigt, wird von seiner Frau Alma und deren Tochter Anna begleitet. Die gemeinsame Tochter Maria ist bereits vor einiger Zeit verstorben.

Während Frau und Kind sich amüsieren, lässt Mahler sein Leben vor dem geistigen Auge Revue passieren. Er erinnert sich an die leidenschaftliche Liebe zu seiner Frau und an wichtige Stationen seines Dirigentendaseins, den Tod der anderen Tochter.

Seethaler schreibt hier eher eine Erzählung für mich als einen Roman. Vieles wird nur oberflächlich angekratzt und nicht näher beleuchtet. Vielleicht ist dies aber beabsichtigt. Vielmehr ist es eher eine Aneinanderreihung von knappen Erinnerungen.

Die Beschreibungen des Meeres, der letzten Fahrt und der Atmosphäre verursachen eine Art angenehme Melancholie. Schnörkellos, kurz und dicht.

Hauptsächlich wird deutlich, dass Mahler das Paradebeispiel eines Workaholics war. Dies führte mit Sicherheit auch dazu, dass Alma sich letztendlich dem Architekten Walter Gropius zugewandt hat. Wenn man sich zusätzlich näher mit Mahler und Alma beschäftigt, dann erfährt man dass er zwar eine intensive, innige Liebe für sie empfand, sie aber auch klein gehalten hat.

„Er stellte sie vor die Wahl, ihre eigenen Kompositionen einzustellen oder von der Heirat Abstand zu nehmen. Eine Ehe mit einer konkurrierenden Kollegin konnte er sich nicht vorstellen.“ (Quelle: Ein Glück ohne Ruh, btb, 1997)

– Die Ladenhüterin –

Sayaka Murata

Nachdem ich kürzlich „Das Seidenraupenzimmer“ von Sayaka Murata gelesen hatte, bestellte ich direkt „Die Ladenhüterin“ hinterher.

Und was soll ich sagen?! Dieses Buch ist ein wahres Kleinod und hat es doch faustdick hinter den Ohren.

Keiko Furukura, schon immer „eigenartig“ und ein Sonderling, ist für ihr Umfeld eine Enttäuschung.

Emotionslos beobachtet sie die Menschen um sich herum und wundert sich mehr als einmal über die gesellschaftlichen Gepflogenheiten, in denen sie kaum bestehen kann.

Das ändert sich, als Keiko mit 18 Jahren einen Aushilfsjob in einem sogenannten Konbini (Convenience Store/ 24 Std Supermarkt) annimmt.

Sie verinnerlicht das Firmenregelwerk, arbeitet nach den klaren Strukturen, organisatorischen Vorgaben und verschmilzt regelrecht mit dem Arbeitsplatz und seinen Anforderungen. Das geht sogar so weit, dass sie die Sprechweise und das Benehmen ihrer Kollegen annimmt. Endlich, so glaubt sie, erfährt sie Anerkennung.

Als sie mit 36 immer noch nur als Aushilfskraft im Konbini tätig ist, dazu ledig und kinderlos, stellt sie das erneut vor Probleme und einer Menge Fragen von Seiten der Familie und der Umwelt.

Da kommt ihr die vermeintliche Beziehung zu einem Mann gerade Recht…oder doch nicht?!

Auch in diesem Roman entfaltet Sayaka Murata ihr Talent zur Sezierung der japanischen Gesellschaft.

Dieser Druck, der auf der Bevölkerung lastet, wenn sie nicht der Norm oder den Erwartungen entsprechen und stattdessen „aus der Rolle fallen“, wird hier so präzise und mit viel trockenem Humor erzählt – es war ein Genuss das zu lesen.

Ich finde es sehr realistisch wenn man sich ein wenig mit den japanischen Werten, den Ansichten in der Arbeitswelt und den Vorurteilen unverheirateter Frauen auseinandersetzt. Gesellschaftskritik par excellence!

– Der Schrank –

Olga Tokarczuk

Kürzlich in der Buchhandlung, fiel mir „Der Schrank“ von Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk in die Hände.

Der kleine Erzählband mit Kurzgeschichten über ganz alltägliche Situationen, die es dann plötzlich doch nicht mehr sind, ist wirklich ein ganz wunderbares Stück Literatur. Erschienen bei Gatsby Bücher im Kampa Verlag.

Die titelgebende Geschichte „Der Schrank“ hat mir sehr gefallen. Ein Pärchen verspürt eine unheimliche Anziehungskraft gegenüber ihrem Kleiderschrank. Immer wieder setzen sie sich hinein und wenden sich von der Welt außerhalb ab. Beschreiben können sie es nicht:

„Aber mein Gott – es erinnerte mich trotzdem an etwas so Bekanntes, so Vertrautes, dass mir die Worte fehlten, um es beim Namen zu nennen. (Die Worte brauchen Abstand, um etwas benennen zu können.)“

Ganz besonders gut gefiel mir auch die Geschichte „Peter Dieter“. Peter Dieter fährt mit seiner Frau Erika auf eine Reise nach Wroclaw (Breslau); seine alte Heimat.

Irgendwie fühlt sich alles anders an und wirkt auch kleiner, als er es in Erinnerung hatte. Schon bald stirbt er – genau bei der tschechisch-polnischen Grenze.

„Als hätte er sein ganzes Leben geträumt. Er wusste nicht, wann er starb, denn es geschah nicht auf einmal, sondern nach und nach brach alles in ihm auseinander.“

Zwei Grenzwächter finden ihn. „Und dann nahmen sie in stummem Einverständnis Peters Bein und schoben es von der tschechischen Seite auf die polnische.“

Sehr dicht, innovativ und ideenreich.

Tokarczuk erhielt zahlreiche polnische und internationale Literaturpreise. Im Oktober 2019 wurde ihr nachträglich der Nobelpreis für Literatur für das Jahr 2018 verliehen, „für ihre narrative Vorstellungskraft, die, in Verbindung mit enzyklopädischer Leidenschaft, für das Überschreiten von Grenzen als eine neue Form von Leben steht.“ (Quelle: nobelprize.org / englisch)

Ich lese solche Erzählungen gerne zwischendurch und hierfür ist dieses „Best of“ wie es häufig in Kritiken genannt wurde ideal.

– Was du nicht alles kannst –

Davina Bell – Allison Colpoys

Du bist einzigartig!

Das ist das Leitmotiv in diesem tollen Kinderbuch.

Es soll Kindern zeigen, dass es auf andere Dinge als „besser-schneller-weiter“ ankommt im Leben. Das was zählen sollte sind Freude, Fantasie und glücklich sein.

Das Erste was den Twins aufgefallen ist, sind die tollen Farben und süßen Illustrationen…ich finde sie auch wunderschön! Ich habe gleich noch zwei Fotos zusätzlich gemacht:

Dazu gibt es wieder eine schöne Geschichte in fröhlichen Reimen! So wird automatisch beim Vorlesen die Sprachentwicklung gefördert.

Die Kinderbücher von Davina Bell und Allison Colpoys sind wirklich richtige Hingucker im Bücherregal. Sie fallen neben den anderen Kinderbüchern definitiv auf!

– Vaters Wort und Mutters Liebe –

Nina Wähä

Klappentext:

„Heimkommen ist immer etwas Spezielles. Entweder man freut sich drauf, oder man freut sich nicht, aber egal ist es einem nie. Bei Annie ruft es jedes Mal widerstreitende Gefühle wach. Sie befällt stehts eine gewisse Angst, dass ihr Elternhaus seine Krallen in sie schlagen könnte und sie plötzlich dort festsitzen würde. Gleichzeitig freut sie sich auf ihre Geschwister. Die Bindung zu ihnen ist stark, als wären sie unsichtbar miteinander verknüpft. Wie ein Rattenkönig an den Schwänzen verknotet. Die Liebe der Mutter stärkt diesen Zusammenhalt. Nur der Vater verbreitet Dunkelheit, und Annie wünscht ihrer Mutter endlich eine zweite Chance.“

Es war schwierig für mich dieses Buch zu lesen und jetzt darüber zu schreiben.

Für mich war es gefühlt eine Zusammensetzung aus lauter kurzen Geschichten für jede einzelne Figur. Teils sehr anstrengend zu lesen.

Mutter Siri und Vater Pentti haben 12 Kinder, von denen einige nicht mehr zu Hause leben.

Die Familie kommt zu Weihnachten zusammen und jeder trägt seine eigene Geschichte mit sich herum.

Während die Mutter die gute Seele mit starker Bindung zu ihren Kindern ist, war Pentti schon immer der kalte und desinteressierte Vater.

Die Kinder verstehen nicht, warum ihre Mutter nicht endlich die Scheidung einreicht und wollen die Dinge jetzt selbst in die Hand nehmen um Siri zu helfen.

Ich bin noch unschlüssig was ich von diesem Roman halten soll. Sicher ist, dass das Augenmerk auf die Protagonisten zu richten ist.

Aber insgesamt bin ich ein wenig ratlos.