– Parade’s End –

Ford Madox Ford

HBO Miniseries

Vor ein oder zwei Jahren habe ich auf Arte eine HBO Miniserie gesehen, deren Inhalt mir irgendwie bekannt vorkam.

Es handelt sich um die Adaption des Klassikers „Parade’s End“, einer Tetralogie von Ford Madox Ford.

Die Geschichte dreht sich um Christopher Tietjens, einem britischen Landedelmann, der brillante Arbeit als Statistiker abliefert und der die alten Werte eines Gentlemans als „letzter Tory“ über alle Maßen in Ehren hält.

Er lernt Sylvia Satterthwaite kennen, wird schnell intim mit ihr und als sie ihm kurze Zeit später eröffnet sie sei schwanger, heiratet er sie gegen den Willen seiner Familie, obwohl er nicht einmal weiß, ob das Kind von ihm ist.

Hiermit nimmt die Tragödie ihren Lauf. Nach der Heirat mündet die Ehe in einer Tortur für beide. Die rechtschaffene und sittsame Art ihres Mannes, ist Sylvia unerträglich und verhasst. Sie provoziert ihn bis aufs Äußerste und hat viele Affären, die Christopher dennoch als wahrer Gentleman tugendhaft übersieht.

Bei einem Ausflug lernt er die junge Suffragette Valentine Wannop kennen, kann sich aber wegen seiner hohen Moralvorstellungen nicht überwinden seinen Gefühlen für Valentine nachzugeben und bleibt seiner Frau treu. Eine Scheidung kommt allerdings ebenso wenig in Frage, da Pflicht und Moral in seiner Welt über allem stehen.

Diese Dreiecksbeziehung zwischen Christopher, Sylvia und Valentine entspinnt sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs, in deren Verlauf sich Tietjens endlich für eine der Frauen entscheiden muss.

Ein Genuss für alle Fans der britischen Kultur, ihrer Traditionen und deren Verfilmungen.

Die Miniserie ist hochkarätig besetzt mit Benedict Cumberbatch, Rebecca Hall, Adelaide Clemens, Rupert Everett, Miranda Richardson und Rufus Sewell.

– Von dieser Welt –

James Baldwin

Es gibt Autoren, deren Bücher begleiten einen ein Leben lang. Für mich zählen Toni Morrison und James Baldwin dazu.

Sie sind völlig zurecht Ikonen und mitunter die bedeutsamsten Stimmen der afroamerikanischen Literatur. In seinem Debüt „Von dieser Welt“ schreibt James Baldwin seine Seele zu Papier.

John Grimes, klug, gerade 14 Jahre geworden, lebt mit seiner Familie in Harlem/ New York in den 1930ern.

Sein Vater Gabriel, ein Baptistenprediger, der sich selbst sein halbes Leben versündigt hat an Alkohol und Frauen, hält nicht viel von seinem Stiefsohn. Er ist das uneheliche Kind seiner zweiten Frau Elizabeth. Diese sieht das unterkühlte Verhältnis zu John als väterliche Liebe der nur das Beste für seine Kinder will und ignoriert die Probleme. Roy, der andere Sohn – ein Draufgänger und Tunichtgut, kommt an Johns Geburtstag mit Stichwunden nach Hause. Wenig später geht die Familie gemeinsam zum Gottesdienst. Hier erfährt John eine Art Erweckung…

Mehr möchte ich inhaltlich gar nicht ausplaudern.

Nur soviel sei gesagt: Das Buch ist in drei Teile geteilt, in denen durch Rückblenden die Geschichte vieler der Familienmitglieder erzählt wird, wobei die Fäden immer wieder zu John führen.

Die vielen religiösen Passagen und Predigten könnte man kritisieren, aber ich glaube Baldwin hat diese ganz bewusst eingebaut. Hier schwingt mit Sicherheit viel autobiografisches mit, insbesondere was die fanatische Religiösität und die Beziehung zu der Vaterfigur betrifft. 

Der ganze Roman hat eine Sogwirkung und eine Wucht, die einen wirklich durchrüttelt und fertig macht. Angespannte Familienverhältnisse zwischen Vater und Sohn, Bruder und Schwester, sexuelle Orientierung, Religion, Teufel und Gott…die Spirale der Chancenungleichheit…ein exzellentes Buch über Hoffnung, Trost im Glauben, Hass und Selbsthass, Sehnsüchte und den bis heute andauernden strukturellen Rassismus gegenüber People of Color in unserer Gesellschaft.

Sprachlich meisterhaft, kraftvoll und mitreissend.

– Fussel und der Mutausbruch –

Malene Walter

Es wird mal wieder Zeit für ein Kinderbuch!

Die Twins haben am Wochenende ihren 4. Geburtstag gefeiert und natürlich auch neuen Lesestoff geschenkt bekommen.

„Fussel und der Mutausbruch“ von @malenewalter (@froileinfuchs) ist ein ganz zauberhaftes Buch um Groß und Klein Mut zu machen.

Der kleine Klitzeklein lebt mit seiner Familie auf einer alten Wolldecke.

Im Gegensatz zu seiner Fusselfamilie, wurde es ihm langweilig tagaus und tagein auf der ollen Wolldecke zu verstauben.

Er träumte von Abenteuern! Eines Nachts wagt er es und schwebt davon. Auf seiner Reise bekommt er unerwartete Hilfe und entdeckt eine wundervolle Welt voller Farben, Düfte und wunderschönen Plätzen.

Wunderschön illustriert und liebevoll erzählt.

  • Gebundene Ausgabe
  • Morisken Verlag
  • Altersempfehlung 3-5 Jahre

– Lesejahr 2020 –

Es waren so viele schöne, gute, informative, wichtige, poetische und kunstvolle Bücher in 2020 auf meiner Leseliste. Einfach wundervoll!

Für jedes Quartal habe ich 4 Empfehlungen herausgesucht:

– Der unsichtbare Roman –

Christoph Poschenrieder

„Der unsichtbare Roman“ von Christoph Poschenrieder vereint historische Fakten mit ein wenig Fiktion hier und da.

Das Buch dreht sich um Gustav Meyrink, seinerzeit österreichischer Bestsellerautor, Okkultist und passionierter Yogi.

Er erhält vom Auswärtigen Amt das Angebot einen Roman zu schreiben. Dies soll folgenden Zweck haben: Eine Erklärung und einen Schuldigen für das Blutvergießen im Ersten Weltkrieg zu präsentieren. Hierfür hat die Regierung die Freimaurer als Sündenbock auserwählt und zahlt Meyrink ein großzügiges Honorar wenn er das Propagandaprojekt schnellstmöglich realisiert.

Am 29.10.2020 war ich auf einer der letzten Lesungen Poschenrieders in diesem Jahr, bevor der zweite Lockdown ausgesprochen wurde.

Es war ein wirklich toller Abend und Herr Poschenrieder entpuppte sich als hervorragender Vorleser, sowie als versierter Historiker, denn für diesen Roman hat er viele Fakten geprüft und eine Menge Recherchearbeit geleistet.

Im Buch findet man immer wieder Notizen und Belege zum Inhalt. Zusammengetragene Briefe, Protokolle und Aufzeichnungen. Poschenrieder nutzt diese Fakten über Meyrink schamlos aus wie er selbst bei der Lesung sagte, um sie zu verdrehen und zu lügen. 

Das ist mitunter sicherlich der Grund dafür, dass der Roman überhaupt nicht langweilig wird und großes Lesevergnügen bietet.

Intelligent, vielschichtig, ironisch.

– Wichtigste Lektüre 2020 –

– Tupoka Ogette – Alice Hasters –

Bevor es an die Jahresrückblicke der guten Bücher und Highlights geht, möchte ich vorab die mitunter für mich WICHTIGSTEN Bücher des Jahres vorstellen.

Ich mache keinen Unterschied, ob jemand schwarz, rot, grün oder gelb ist. Für mich sind alle Menschen gleich!“

„Ich kenne einen Schwarzen, den stört es nicht, wenn man Witze macht!“

„Man weiß schon gar nicht mehr was man noch sagen darf!“

Kommt Euch bekannt vor? Tja, mir auch…insbesondere nachdem ich die (Hör-)Bücher von Tupoka Ogette und Alice Hasters kenne.

Das sind Aussagen von Menschen, die sich noch in Happyland befinden. Dem Ort, an dem privilegierte Weiße sich nicht vorstellen können und oft auch nicht wollen, wie stark struktureller Rassismus zum Nachteil von BIPoc in unserer Gesellschaft verankert ist.

Die Morde an George Floyd, Breonna Taylor und Ahmaid Arbery entfachten eine gewaltige Welle der Solidarität weltweit und die Leute gingen auf die Straße. Rassismus ist aber kein Problem, welches nur in den USA stattfindet. Auch hier in Deutschland spielt er eine große Rolle.

Die Wahrheit ist unbequem, doch dürfen wir nicht weiter die Augen verschließen und müssen zuhören, reflektieren, ernst nehmen und aktiv werden. Das alles aber jederzeit und nicht nur wenn etwas schreckliches passiert.

Dieses Thema geht uns alle an. Wir alle sind in der Verantwortung uns damit zu beschäftigen.

Also bitte – lest Bücher zum Thema Rassismus, informiert Euch auf Social Media, diskutiert darüber und schweigt nicht weiter wenn ihr Rassismus erkennt.

Auf Instagram gibt es tolle Feeds denen man unbedingt folgen sollte:

https://instagram.com/wasihrnichtseht

https://instagram.com/eine.schwarze.liest.buecher

https://instagram.com/tupoka.o

Ich habe dieses Jahr soviel gelernt durch ihre Arbeit/Postings. Vielen Dank dafür!

– Bären füttern verboten –

Rachel Elliott

Soeben habe ich „Bären füttern verboten“ von Rachel Elliott beendet und es juckt mich in den Fingerspitzen, dieses wunderbare Kleinod zu rezensieren.

Die 47 jährige Sidney, Freerunnerin, besucht an ihrem Geburtstag den kleinen Küstenort St. Ives. Über dreißig Jahre hat sie sich nicht mehr dort hin getraut, seit einem Schicksalsschlag in ihrer Kindheit.

Ohhh dieser Roman – er beinhaltet alles was das Herz begehrt: Trauer, Verlust und Hilflosigkeit…und jetzt kommt das große ABER:  voll von warmen, anrührenden Charakteren, einer skurriler und verschrobener als der andere!

Rachel Elliott schickt eine Botschaft: Manchmal sind uns Fremde näher als die eigene Familie. Und manchmal können diese Verbindungen heilen.

Sie alle begegnen sich nicht gerade unter den besten Umständen, doch treten sie so liebevoll und sympathisch in Verbindung miteinander, dass man gar nicht mehr aus dem Schmunzeln und Seufzen herauskommt.

Die Autorin lässt sogar den Hund seine Gedanken und Gefühle mit uns teilen.

Wir lernen Maria kennen, die in einer unglücklichen Ehe lebt, aber grandiose Muffins bäckt. Ihre Tochter Belle versprüht eine universelle Liebe, kümmert sich um ihre Umgebung, wohingegen sie sich selbst weniger Beachtung schenkt, bis es jemand anderes tut. Dexter, Buchhändler, hin und wieder Crossdresser und natürlich auch Howard…Sidneys Vater, der weit in seine Vergangenheit zurückreisen muss, damit er endlich wieder nach vorne blicken kann.

Dieses Buch ist Balsam für die Seele. Figuren á la John Irving – Ort á la Holt von Kent Haruf.

Warmherzig, lebensbejahend, liebevoll.