– Migrantenmutti –

Elina Penner

„Es ist Alltag für Migras. Das Ankommen, das Erklären, das Nachreichen, das Einreichen, das Abstempeln, das Versprechen, das Durcheinanderbringen, das Vergessen, das nicht-Wissen, das Kontrollieren, das Nachfragen, das Beleidigen. Das Nicht-gut-genug-Sein und das Sich-Wundern, ob das mal anders wird, für die eigenen Kinder, die nun bald in dritter oder vierter Generation in Deutschland leben, natürlich Deutsche sind.“

Über diese alltäglichen Beobachtungen und die Klassenunterschiede, die in unserer gesellschaftlichen Landschaft zwischen Deutschen und Migras bestehen, schreibt Elina Penner aka Migrantenmutti mit Scharfsinn, Witz und gesalzenen, klugen Sätzen.

Viel Tacheles mit ironischem Ton trifft auf die Feinheiten zwischen Arbeiterklasse und der Oberschicht, bringt Beispiele über die kleinen großen Unterschiede zwischen privilegierter deutscher und migrantischer Elternschaft. Über das Aufwachsen mit anderen familiären Strukturen, anderem Essen, anderen Sitten und wie schwer es einem gemacht wird oder wie unmöglich es ist aufzusteigen, wenn man nicht den -richtigen- Background hat. 

Ihre satirischen Essays haben mir so einige Lacher, aber auch so manches Mal ein zynisches Schmunzeln abverlangt.

Mit jedem Text hält sie der Gesellschaft den Spiegel vor und regt zum Nachdenken an.

Wer @elinapenner kennenlernt, merkt schnell welche Naturgewalt diese @migrantenmutti ist. Mir war sie von der ersten Sekunde an sympathisch, lustig und lebensklug. Diese Attribute findet man in ihrem Sachbuchdebüt welches ich wärmstens empfehle. 

– Die Möglichkeit von Glück –

Anne Rabe

“So habe ich mir das vorgestellt. Der Holocaust und der Krieg, das war irgendwas in Polen und in Berlin. Stalingrad, das war in Russland und sehr weit weg.”

So empfindet es Stine, die 1986 in der DDR geboren wurde, und in der Gegenwart nach Antworten in ihrer Familiengeschichte sucht. Welche Rollen hatten -damals- ihre Großväter Paul und Arndt? Was haben sie alles getan während des Krieges und zu Zeiten der Mauer?

Sie gräbt sich durch Papiere, Unterlagen und durch Archive.

Auf den Spuren der Vergangenheit kommt Stine nicht umhin sich zu fragen, welche Beweggründe für das große Schweigen dieser Generationen vorliegen. Bis heute will niemand Täter gewesen sein, niemand etwas gewusst haben.

“Die Bilder die unseren Geschichtsunterricht begleiteten, zeigten bloß das Berlin des beginnenden 20. Jahrhunderts oder gleich Nazis, Holocaust und Auschwitz, Kahlgeschorene Menschen in Schwarz-Weiß, mit Schildern um den Hals, die sie denunzieren sollten. Schlimm sah das aus, aber auch sehr weit weg.”

Im zweiten Handlungsstrang kämpft sie gegen die psychischen Verwundungen, die ihre grausame Mutter ihr und ihrem kleinen Bruder Tim mit ihren Erziehungsmethoden zugefügt hat. Während Tim alles von sich schiebt und sich mit den Traumata nicht auseinandersetzen will, hinterfragt Stine ein ums andere Mal die Motive ihrer gewalttätigen Mutter. Den Kontakt hat sie schon seit Jahren abgebrochen. Das Verhältnis ist zerrüttet, die Angst immer noch groß. Umso aufgewühlter ist sie, als ihre Mutter rechtliche Schritte einleiten möchte um ihr Enkeltochter sehen zu können.

Das Thema des Buches ist sicherlich nicht neu und doch hochaktuell. In den letzten 2 Jahrzehnten kamen immer wieder Stimmen auf, die fordern, dass man die Vergangenheit endlich mal gut sein lassen sollte und doch zeigen die NSU Morde, Anschläge/ Morde wie die in Halle und Hanau und auch der aktuelle bundesweite Rechtsruck, dass die Ideologien von damals immer noch Einzug hält in unsere geschichtlich aufgeklärte Welt.

Ein starkes Buch, welches ich einige Mal zur Seite legen musste um erst einmal Luft zu holen. Es regt definitiv zum Nachdenken an und bietet starkes Gesprächspotential. Die Protagonistin findet für sich die ein oder andere Erklärung bezüglich ihrer Familie und deren Umgang mit alten Werten, die über die Jahre und mit Regierungswechseln an Bedeutung verloren haben.

Anne Rabe hat ein richtig gutes und wichtiges Buch geschrieben. Für mich bleibt die Entscheidung über den Sieger des diesjährigen Deutschen Buchpreises wirklich völlig unverständlich. Dies hier wäre ebenso ein weitaus besseres Siegerbuch gewesen.

Unbezahlte Werbung/ selbstgekauft. Erschienen bei Klett-Cotta Verlag

– Vatermal –

Necati Öziri

“Du musst wissen, Metin, für mich hatten Väter immer etwas Angsteinflößendes. Wenn ich mir vorstelle, wie es gewesen wäre, bei dir aufzuwachsen, was du etwa davon gehalten hättest, dass ich entschied, Literatur zu studieren, dann steigt dieselbe Angst in mir hoch. Allerdings wird sie inzwischen schnell wieder eingeholt von der Erleichterung, dass ich nie von deinem Brot gegessen habe und ich dir nichts schulde, keine Rechenschaft und keine Erklärung.”

Zu diesem Buch gibt es nicht mehr all zu viel zu sagen als: Lest es.

Es gibt so viele gute, treffende Rezensionen mit Worten, die Gefühle transportieren, die ich beim Lesen fühlte, aber nicht imstande wäre sie so gut auszudrücken.

Wie zum Beispiel: @echo_books @tuanas.books @_erlesenes @literaturtee @christiansimon_ die ihr alle auf Instagram finden könnt.

Unnötig zu sagen, dass es für mich der eigentliche Sieger des Buchpreises gewesen wäre. Vermutlich war es zu viel in einem Jahr zwei Autoren als Sieger zu küren, deren Eltern türkische Einwanderer sind. (Ja. Sarkasmus.)

Unbezahlte Werbung/ selbstgekauft. Erschienen bei Claassen von Ullstein Verlage

– Nova — Aufbruch in die Wildnis –

Megan Wagner Lloyd

Mit Nova – Aufbruch in die Wildnis hatten wir ein kurzweiliges Abenteuer.
Nova, eine junge Hauskatze, fühlt sich bei ihrem Menschen Ma Millie wollig wohl. Im warmen Haus, abgeschieden von jeglicher Hektik und Gefahren, verbringen sie schöne Tage. Doch als die betagte Dame immer mehr hustet und mit jedem Tag schwächer wird, beschließt Nova Hilfe zu holen.

Der Nachbar Jacob Levan, der ab und zu auf einen Besuch vorbeikommt, ist der Einzige der Nova erkennen würde und sie würde so lange miauen bis er zur Rettung eilt.
Doch der Weg und die Fremde können einschüchternd sein und so muss Nova Mut beweisen und über ihren Schatten springen.
Als Jacob nicht anzutreffen ist und laut seiner Kühe in der Stadt vermutet wird, schließt Nova einen Pakt mit der Füchsin.
Sie soll ihre Führerin sein und im Gegenzug wird Nova sie in Zukunft mit Proviant versorgen.
Sie müssen den Weg durch den Wald bestreiten und immer ist ihnen jemand bedrohliches dicht auf den Fersen…

Ein sehr spannender Abenteuerroman, der mit Herz eine tolle Geschichte erzählt. Die Girls waren so begeistert, dass sie total traurig waren als das Buch zu Ende war.
Ihr kennt das Gefühl – wenn das Buch noch ewig weitergehen könnte. Genauso ging es den Mädchen.

Von uns Dreien 👩‍👧‍👧 eine Leseempfehlung!

Megan Wagner Lloyd
Übersetzung: Bettina Obrecht
Illustration: Kaja Kajfez
#karibu@edelverlagsgruppe

– Girlhood –

Melissa Febos

„Meine Geschichte ist eine ganz gewöhnliche. Das sind alle unsere Geschichten. Und sie wiederholt sich, jetzt in diesem Moment und in schlimmeren Versionen, und das wird nicht aufhören, bevor uns nicht allen klar wird, dass -Schlampe-, genau wie -Hexe-, ein von Männern erfundenes Wort ist, um Frauen weiterhin in der Hand zu haben und von ihren Diensten zu profitieren. Hass und Angst vor weiblicher Sexualität sind ein grundlegender Bestandteil der Zivilisation, wie wir sie kennen, und Schlampen sind meistens Frauen, die die patriarchalen und von weißer Vorherrschaft geprägten kolonialen Herrschaftssysteme bedrohen.“

Das für mich mit Abstand beste Buch zum Thema Ausbeutung der Frau, der Konditionierung von Mädchen und Frauen dahingehend gefügig zu sein, unkompliziert aber nicht zu leicht, von Beginn an von außen bewertet zu werden und sich aber nicht so anstellen sollen. 
Als Frau ist der Inhalt nichts Neues zu lesen, denn diese Erfahrungen haben wir alle gemacht. Das ist die bittere Wahrheit. Ich weiß was ich erlebt habe, ich weiß was meine Freundinnen erlebt haben, was Frauen weltweit erleben kann man in den Medien oder in Büchern nachlesen. Das ist Realität. 
Ein starkes Buch im Kampf gegen die Ausbeutung durch Männer und patriarchale Strukturen.

Thank you @melissafebos for writing this book. It contains a powerful message. 

Danke an @kjonaverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. 

Übersetzung: Stefanie Jacobs

– schnell leben –

Brigitte Giraud

Was wäre wenn…

Was wäre geschehen wenn…

Was wäre gewesen wenn ich nicht…

Selbst 20 Jahre nach dem Unfalltod ihres Mannes Claude, stellt sich Brigitte diese Fragen.

Das Paar stand kurz vor dem Umzug in ihr Traumhaus, welches sie gemeinsam auf Brigittes Wunsch hin gekauft haben.

Doch der Traum zerplatzt, als Claude mit dem Motorrad tödlich verunglückt. Brigitte zieht mit ihrem Sohn in das Haus, begleitet von Schuldgefühlen und der Frage nach dem Warum.

In -schnell leben- nimmt sie alle Begebenheiten auseinander und seziert jede Entscheidung, spielt jede Möglichkeit durch, wie das Unglück hätte verhindert werden können.

“Nach dieser irrsinnigen Überfahrt, auf der dein Sturz alle denkbaren Arten zu fallen nach sich gezogen hat. Alle denkbaren Arten wieder aufzustehen. Alle denkbaren Arten sich wiederzufinden. Es hat so viele Zeichen gegeben, so viele Zufälle, so viele heimliche Begegnungen. Unmittelbares, besser verschwiegenes Leben. Da gab es das Gefühl, dass du mit mir verschmilzt. Dass ich Mann und Frau zugleich wurde.”

Brigitte Giraud hat ein Buch über -das Danach- geschrieben. Wie kann es weitergehen und wie kann man weitermachen nach einem tragischen Verlust. Eine Versöhnung mit dem eigenen Schicksal und dem Versuch Trost für unbeantwortbare Fragen zu finden.

Übersetzung aus dem Französischen: Michael Kleeberg

Erschienen bei: Frankfurter Verlagsanstalt

Unbezahlte Werbung/ Rezensionsexemplar

– Marschlande –

Jarka Kubsova

Im Jahr 1580: Abelke Bleken

Grundeigentümerin eines Hufnerhauses in den Hamburger Marschlanden

Gegenwart: Dr. Britta Stoever

Ehemalige Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Geographie, Universität Hamburg. Kürzlich in ein Haus in die Marschlanden gezogen

Das Buch spielt zwar auf zwei Zeitebenen, jedoch kämpfen beide Frauen mit den gleichen Problemen. Sie müssen sich in einer für Männer gemachten Welt durchschlagen.

Britta ist verheiratet, arbeitet seit Jahren nur noch in Teilzeit um sich besser um Kinder und Haushalt kümmern zu können, während ihr Ehemann Philipp seiner Karriere nachgeht. Als sie damals mit ihrer Tochter schwanger wurde, hätte sie niemals gedacht, dass ihre eigene Karriere einen Knick erleiden würde. Sie wollte alles ganz anders zu machen als „diese“ Frauen, die nach der Geburt zum Hausmütterchen mutieren.

Rückblickend verzweifelt sie an ihrer eigenen Naivität, an ihren Entscheidungen in der Vergangenheit und an dem Verhalten ihres Mannes, der sich immer darauf ausgeruht hat, dass sie jegliche häusliche Verpflichtungen und die Kindererziehung übernimmt, während er weiterhin ambitioniert im Berufsleben steht. Kürzlich sind sie auch seinetwegen in den Hamburger Marschlanden in eines der Gutshäuser gezogen. Es war immer sein Traum.

Doch sowohl Britta als auch die Kinder finden schwer in die neue Gegend. Mit dem Haus kann sie bisher auch nicht warm werden. Bei einem ihrer täglichen Spaziergänge stößt sie auf den Namen Abelke Bleken. Vom ersten Augenblick an übt diese Frau aus lang vergangenen Zeiten eine Faszination auf Britta aus.

Sie beginnt in ihrer Freizeit mit Nachforschungen über diese faszinierende Frau.

Abelke Bleken stammt aus einer Hufnerfamilie, deren großer Hof in den Marschlanden liegt. Sie hat lange Zeit auf die Rückkehr ihres Geliebten gewartet, seither jeden anderen Bewerber abgewiesen doch letztendlich hat sie die Hoffnung aufgegeben, dass der Mann zur ihr zurückkommt. Die Gründe hierfür bleiben offen. Für das 16. Jahrhundert ist Abelke ihrer Zeit ziemlich weit voraus. Als selbständige, lebenskluge und tüchtige Frau bestellt sie ihren Hof allein, nur mit Hilfe ihrer Arbeiter, den Mägden und unter vielen Entbehrungen steht sie dennoch mitten im Leben. Der Gutshof läuft relativ gut.

Die große Allerheiligenflut in 1570 die die Gegend überschwemmt ändert alles und da der Deich beschädigt wurde, liegt es in der Pflicht eines jeden Hufnerbetriebes, den Deich schnellstmöglich zu reparieren, da sonst nach geltendem Recht die Gefahr besteht, seinen Grundbesitz zu verlieren. Da Abelke wegen ihres Lebenswandels besonders von den Männern kritisch beäugt und hinter vorgehaltener Hand von den anderen Einheimischen beleidigt wird, sehen hier einige Männer ihre Chance gekommen sich einen Vorteil durch Abelkes Not zu verschaffen. So werden ihr übliche Hilfen durch Deicharbeiter verwehrt, Fristen sehr kurz gehalten und von der Dorfbevölkerung als gefallene Frau und Hexe denunziert, was letztendlich die Inquisitoren ins Dorf führt.

Abelke wird der Prozess gemacht.

Jarka Kubsova hat diesen unglaublich fesselnden Roman geschrieben, der mich von der ersten Seite an abgeholt hat. Die Dialoge und Probleme zwischen Britta und Philipp in der Gegenwart waren mir so dermaßen vertraut – viel zu oft hat man das schon gelesen, gehört und erlebt. Und ich dachte mir wieder einmal: Wir sind so viele. Es geht so vielen von uns genauso.

Das harte, entbehrungsreiche Leben Abelkes, die dennoch erhobenen Hauptes ihre Frau steht und dann wird ihr ein ums andere Mal durch Männer eine so große Ungerechtigkeit zuteil, dass es nur noch schmerzt.

Ich fühlte mich ohnmächtig, traurig und war regelrecht empört, weil sich das Schicksal von Frauen immer wieder zu wiederholen scheint, Veränderungen viel zu langsam geschehen und es immer noch so viele Männer gibt, die uns diese Erfahrungen absprechen.

Ein großes Highlight für mich!

Vielen Dank an @jarka_kubsova und auch an @s.fischer für die Möglichkeit es vorab zu lesen.

[unbezahlt/ Rezensionsexemplar]