– Die Schönheit der Begegnung –

Frank Berzbach

„Ich habe nichts gegen die Liebe. Wir haben nur nicht das beste Verhältnis.“ – „Okay, dann habe ich 32 Versuche das textlich zu verbessern.“

Frank Berzbach und ich im Insta-Chat über meinen Zynismus.

Also begann ich „Die Schönheit der Begegnung“  von Frank Berzbach zu lesen.

Es wurde mir von allen Seiten wärmstens empfohlen und ich war ein wenig in Sorge, denn mein ausgeprägter Zynismus kommt mir oft in die Quere. (Marina, hör auf zustimmend zu nicken!)

Aber ich habe nichts gegen gut erzählte Liebesgeschichten. Ob es nun eine oder zweiunddreißig sind.

Schon bei der ersten Variation musste ich schmunzeln. Nicht etwa aus Spott, sondern vielmehr weil sich bereits in der ersten Geschichte die ein oder andere Parallele zu meinem Leben abzeichnete.

Ein ruhiges, angenehmes Gefühl begleitete mich, als ich die Begegnungen Seite für Seite miterlebte. Es ist eine Mischung aus Fakten und Fiktion, die Frank Berzbach hier präsentiert und uns daran teilhaben lässt, wie er und seine Lebensgefährtin zueinander fanden.

Die Sprache ist sehr intensiv und der poetische Ton zieht sich durch das gesamte Buch – und das ohne Kitsch. Das hat mir sehr gut gefallen.

„Die Schönheit der Begegnung“ gibt durch die Aufteilung in die 32 Variationen immer wieder Raum kurz innezuhalten und über das Gelesene nachzudenken.

Fazit: Dieses Buch tut einfach gut.

– Saturday –

Ian McEwan

Diogenes Backlistlesen No. 16

Für die 16. Runde haben wir „Saturday“ von Ian McEwan per Umfrage gewählt.

Das Buch handelt von Henry Perowne, Ende 40, erfolgreicher Neurochirurg, perfektes Leben.

Am Samstag, den 15. Februar 2003, wacht er ungewöhnlich früh auf. Dieser Samstag ist kein gewöhnlicher, da eine große Demonstration gegen die Teilnahme Großbritanniens am Irakkrieg stattfindet.

Perowne fährt zu seinem wöchentlichen Squash-Spiel mit einem Kollegen und abends erwartet er die Familie zum gemeinsamen Abendessen, für das er höchstpersönlich kochen möchte.

Ein harmloser Autounfall bringt Henrys Leben gehörig durcheinander. Dieser Vorfall bringt Dinge ins Rollen, die ihn und seine Familie in der heimeligen Idylle der gehobenen Mittelschicht, völlig aus der Bahn werfen.

Ian McEwan will in „Saturday“ die Bedrohung durch Irak/Terror/Krieg und im Gegensatz dazu, die gut situierten Menschen der Mittelklasse im Westen zeigen.

Es ist für mich definitiv ein politisch motivierter Roman und meiner Meinung nach merkt man sehr sehr stark, dass 9/11 damals noch nicht lange her war.

McEwan hat hier wieder eine sprachlich ausgefeilte Arbeit abgeliefert, sehr gut übersetzt von Bernhard Robben.

Ich schätze den Autor sehr für sein Talent die großen Fragen und Themen immer wieder in seinen Romanen aufzuwerfen. Dabei gibt er den Protagonisten die Aufgabe an die Hand, die verschiedenen Blickwinkel zu beleuchten. So ist es Perowne in der Geschichte, der nicht unbedingt gegen den Irakkrieg ist, während seine Tochter Daisy diesen rigoros ablehnt.

Mich persönlich hat das Ende enttäuscht. Es war ein gutes Buch, aber mit schlechtem Schluss. Das hat es mir ein wenig madig gemacht.

Es gab aber viele Stimmen in der Diskussionsrunde der Gruppe, die das Ende völlig anders und positiv für sich bewerten.

Fazit: Mit Ian McEwan macht man eigentlich nie etwas falsch, auch wenn das Ende mal nicht nach dem eigenen Geschmack ist.

– Kostbare Tage –

Kent Haruf

Ich habe „Kostbare Tage“ so sehr entgegen gefiebert und habe es gleich nach Erscheinen bestellt.

Haruf nimmt uns wieder mit nach Holt, einer Kleinstadt im Herzen von Colorado.

Und es ist wie -nach Hause kommen- für alle Kent Haruf Fans.

Erzählt wird die Geschichte von Dad Lewis und seiner Familie. Schwer krank lässt er nochmals sein Leben Revue passieren, denkt an gute und schlechte Zeiten, die schwierige Beziehung zu seinem Sohn Frank, zu dem seit vielen Jahren kein Kontakt mehr besteht.

In der ihm noch verbleibenden Zeit wird er liebevoll von seiner Frau Mary und seiner Tochter Lorraine gepflegt.

Aber auch andere Bewohner von Holt werden näher beleuchtet. Wie die kleine Alice, die nebenan bei ihrer Großmutter Berta May lebt oder der neue Reverend Lyle, der frischen Wind und neue Gedanken in die Gemeinde bringen möchte und das mit mehr oder weniger Erfolg.

Der Autor lädt uns in diesem wundervollen Roman dazu ein, Dad Lewis auf seinem letzten Weg zu begleiten. Unaufgeregt, ruhig und sensibel erzählt er wieder einmal eine fabelhafte Geschichte über Menschen, die man so sehr ins Herz schließt, dass man sie gar nicht verlassen möchte.

Ganz große Liebe! Leider verstarb Kent Haruf 2014 und so muss ich mich schweren Herzens damit abfinden, dass es nicht mehr dieser fabelhaften Romane geben wird.

In letzter Zeit werde ich von meinem privaten Umfeld häufig um Lesetipps gebeten. Mein erster Satz: Alles von Kent Haruf.

– Der unsichtbare Garten –

Karine Lambert

Wenn er es sich aussuchen müsste…geburtsblind oder späteres Erblinden?

Diese und viele andere Fragen stellt sich Vincent, 35 Jahre, Tennislehrer, Diagnose Lebersche Optikusatrophie.

Kurze Zeit nachdem ihm die Ärztin sein Schicksal über den seltenen Gendefekt offenbart hat, erblindet er.

Von der Situation überfordert, sein bisheriges Leben mit einem Schlag wie weggewischt und seiner Zukunftspläne beraubt, zieht sich Vincent in das Haus seines verstorbenen Großvaters zurück.

Coline, die Nachbarin, ist eine der wenigen, die ihn in seiner Verzweiflung und der Krise unterstützt. Sie hilft ihm sein neues Leben zu gestalten und das obwohl auch sie allerlei Ballast mit sich herumträgt.

Eine zarte und sanfte Erzählweise, die Karine Lambert hier verwendet. Die Geschichte liest sich sehr flüssig und man kommt in einem Rutsch durch.

Ernste Anklänge die leicht daherkommen.

Ein gutes Buch für zwischendurch.

– Post für den Tiger –

Janosch – BELTZ&Gelberg

Wie der kleine Tiger und der kleine Bär die Post erfanden…

Für alle Fans von Janosch und die, die es werden wollen, ist dieses Buch einfach ein #musthave

Immer wenn der kleine Bär zu Angeln geht, fühlt sich der kleine Tiger so einsam. Deshalb bittet er ihn: „Schreib mir doch mal einen Brief!“ …so nimmt die Geschichte ihren Anfang.

Eine ganz tolle Geschichte mit lieben Dialogen und ganz wunderbar illustriert.

Ich habe auf YouTube die passende Folge gefunden und es den Mädchen vorgespielt – sie waren ganz aus dem Häuschen, weil sie die Geschichte aus dem Buch kannten.

– Ein Lied für die Vermissten –

Pierre Jarawan

Ich bin soeben mit „Ein Lied für die Vermissten“ fertig geworden und komme gleich zur Sache.

Die Geschichte dreht sich um Amin, der seine Erinnerungen daran niederschreibt, wie er als  Jugendlicher mit seiner Großmutter Deutschland verlässt und in den Libanon zurückkehrt. Seine Eltern sind bereits seit langer Zeit verstorben (12 Jahre) und so muss er sich in einem Land zurechtfinden, welches immer noch mit den Spuren des Krieges und den damit verbundenen Geschehnissen kämpft und lebt.

Pierre Jarawan schlägt schon mit den ersten Sätzen eine so poetische, bilderreiche Sprache an, dass es fast unmöglich ist, sich dieser zu entziehen.

Die Straßen Beiruts, das Leben in der Nachkriegswelt, sowohl die Lebensfreude als auch stille Verzweiflung der Menschen…all das hat mich wirklich mitgerissen und in meinen Gedanken Orte und Begegnungen gebildet, die von Sehnsüchten, Heimat und Freundschaft erzählen.

Ein ganz wunderbar melancholischer Roman, der Fiktion und wahre Begebenheiten miteinander verknüpft.

– Die Kunst des Feldspiels –

Chad Harbach

Was soll ich sagen…es ist fabelhaft.

Die Geschichte dreht sich um den aus der Provinz stammenden Henry Skrimshander, der ein absolutes Ausnahmetalent im Baseball ist. Nichts scheint seiner Profilaufbahn im Weg zu stehen, als er sein Studium am Westish College beginnt und in dessen Mannschaft sein Können immer weiter ausbaut.

Doch dann passiert das Unvorstellbare. Ein Routinewurf geht daneben und das Drama nimmt seinen Lauf. Von nun an kämpft Henry mit Selbstzweifeln und Depressionen.

Nicht nur sein Leben gerät völlig aus den Fugen, sondern auch das vier anderer Figuren, deren Schicksale mit Henrys verwoben sind. Mike, Owen, Rektor Affenlight und seine Tochter Pella – auch ihre Welt wird auf den Kopf gestellt und alle versuchen ihren eigenen Weg zu finden.

Der Roman lässt sich sehr leicht lesen und es macht richtig Spaß. Ich habe mich immer wieder dabei ertappt, wie ich unbedingt weiterkommen wollte um zu erfahren, was als Nächstes geschehen wird.

Die Menschen in „Die Kunst des Feldspiels“ sind mir richtig ans Herz gewachsen (insbesondere Affenlight) und am Ende habe ich Tränen vergossen. 

Ein tolles Debüt von Chad Harbach. Absolute Leseempfehlung!