Tijan Sila

“Sarajevo kam mir vor wie ein schwarzer Wald, der Tod als ein Jäger, und ich fühlte zum ersten Mal das, was ich erst Jahre später, in Deutschland, in Worte zu fassen schaffte: Ich fühlte, dass zu leben vor allem bedeutete, Grauen auszuhalten.”
Tijan Silas Geschichte habe ich heute am Sonntag Morgen beim Kaffee in einem Zug verschlungen.
Es ist die Geschichte seiner Kindheit, als im Jahr 1992 der Krieg in Bosnien beginnt. Tijan ist gerade mal 10 Jahre alt und sein bisheriger Alltag ist nun Vergangenheit.
Ab jetzt hört man Explosionen und Schüsse während sich unten in den Schutzkellern das Schweigen breit macht.
Schule gibt es erstmal nicht mehr, stattdessen steht das Umherstreifen in den Ruinen auf der Suche um potentielle Tauschwaren wie Zigaretten oder Pornohefte für den Schwarzmarkt auf dem Programm.
“Erst in Deutschland lernte ich, dass Verzweiflung eins jener Gefühle ist, die unendlich wachsen können, genau wie Liebe oder Hass.”
Nach zwei Jahren Krieg flüchtet Tijan mit den Eltern und dem kleinen Bruder nach Deutschland. Dort fällt es ihm selbstverständlich anfangs nicht leicht in die neue, friedliche Realität zu finden.
-Radio Sarajevo- hat mich sooft durchgeschüttelt und bereits während des Lesens viele meiner Gedanken verknüpft. Die Verrohung und der Verlust der Menschlichkeit, die mit Krieg einhergeht und wie Kinder in so einem Umfeld aufwachsen haben mich stark mitgenommen. Es wurde sowohl an der Front, als auch in Tijans Plattenbausiedlung gekämpft. Keine Heizung, kein Essen, dafür Angst vor Kugeln oder vor der nächsten Tracht Prügel der Eltern.
Wenn Kriege die Erwachsenen aufs Schlimmste zeichnet, was verursacht es dann bei Kinderseelen? Tijan Sila setzt hier den Fokus und schreibt über diese unaussprechlichen Erfahrungen.
Ich habe mich an eine Mitschülerin von mir erinnert. Ihre Familie floh ebenfalls vor dem Bosnienkrieg. Ich fand sie immer etwas seltsam, wie sie so dasaß. Jetzt wird mir klar, was sie alles gesehen haben muss. Etwas, was ich damals nicht einordnen konnte, das mich aber jetzt umso mehr mitnimmt.
Oder an einen späteren Arbeitskollegen, der sehr loyal war, aber irgendwie auch ein wenig gaunerhaft. Normalerweise war er ein sehr lustiger, humorvoller Mensch, doch wenn er unbeobachtet bei einer Zigarette vor der Tür stand, sah er auf seltsame Weise abgekämpft und erschöpft aus.
Auch er war eines dieser Kriegskinder.
Ein wichtiges Buch um die Vergessenen in Erinnerung zu behalten.
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