– Kleine Fluchten –

Carole Fives

Das nächste Buch in diesem Frühjahr, welches mit einem gesellschaftlichen Tabuthema bricht:

Eine alleinerziehende Mutter, die völlig erschöpft ist und stoisch versucht die Mutterrolle zu erfüllen.

In „Kleine Fluchten“ geht es um die namenlose Protagonistin, die nur noch in ihrer Funktion als Mutter Beachtung erfährt und darauf reduziert wird.

Allein gelassen mit allen Pflichten und der Verantwortung für ihren kleinen Sohn, wird die Frau durch die ständig eingeforderte Aufmerksamkeit und die nicht enden-wollenden Bedürfnisse des Kindes an den Rand ihrer Kräfte gebracht.

Die Einnahmen aus ihrer selbstständigen Tätigkeit als Grafikerin reichen nicht aus, da sie keine freie Minute mehr hat und der Junge ihr alles abverlangt. So entstehen zu den häuslichen Sorgen auch noch finanzielle.

Sie hat kein soziales Netz aus Freunden oder Familie, die sie unterstützen können und erfährt von ihrer Umwelt nur abweisendes Verhalten, schließlich ist es ihre schlechte Erziehung, der sie die vielen Probleme mit dem Kind zu verdanken hat.

Immer wird die Schuld für ihre missliche Lage der alleinerziehenden Frau zugeschrieben, nach dem Vater kräht kein Hahn. Vielmehr soll sie sich -einfach besser-organisieren.

Wenn ihr Sohn nachts endlich eingeschlafen ist, schleicht sie sich heimlich aus der Wohnung. Was mit wenigen Minuten begann, wird mit jeder weiteren kleinen Flucht ein längeres Unterfangen. Sie spaziert zum Fluss, versucht den Stress hinter sich zu lassen und sich selbst wieder zu finden.

Doch bei ihren Ausflügen wird ihr umso klarer, dass sie keine Freunde hat und in der Berufswelt auf Grund ihrer Mutterschaft gesellschaftlich abgehängt wurde.

Sie sucht im Internet nach Antworten oder Lösungen für ihre Probleme. Als sie die Geschichten anderer verzweifelter Mütter liest, entdeckt sie auch die hasserfüllten Kommentare und Ratschläge diverser Übermütter.

Dieses Buch hat mich mitgerissen, aufgeregt und begeistert gleichermaßen, denn hier wird von der Lebensrealität sehr vieler Frauen erzählt und mit der Romantisierung von Mutterglück aufgeräumt.

Schonungslos und offen erzählt Carole Fives über die Schattenseiten des Mutterseins und wirft Augenmerk darauf, was zwar immer wieder den Weg in manche Diskussionen findet, aber nicht in die Köpfe der Gesellschaft.

Nämlich: Warum wird von Müttern verlangt alle Wünsche und Träume für ihre Kinder aufzugeben und sich selbst für die Familie aufzuopfern? Warum wird nicht nach den Vätern gefragt?

Natürlich gibt es Väter, die für ihre Kinder kämpfen und die sich auch nach einer Trennung kümmern, aber in den meisten Fällen, sind sie abwesend und verweigern finanzielle Unterstützung.

Erschütternd, emotional und top aktuell.

Insbesondere Frauen, die solche Situationen selbst erlebt haben, werden mit der Protagonistin sympathisieren, auch wenn es natürlich äußerst fragwürdig ist, seine Freiräume auf eine so radikale und unverantwortliche Weise einzufordern.

Übersetzung: Anne Braun

Veröffentlicht von booksandtwins

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