Tove Ditlevsen

Letztes Jahr hat die Kopenhagen-Trilogie im Frühjahrsprogramm des Aufbauverlags mein Interesse geweckt.
Auch wenn es immer so eine Sache mit Hype-Büchern ist…in diesem Fall lohnt es sich wirklich.
„Meine Eltern mögen es nicht, dass ich an Gott glaube, und sie mögen die Sprache nicht, die ich verwende. Mich wiederum stößt ihr Sprachgebrauch ab, denn sie bedienen sich der immer gleichen groben und plumpen Begriffe und Redewendungen, deren Bedeutung nie das trifft, was sie sagen wollen.“
Tove Ditlevsen erzählt auf poetische und beeindruckende Weise die emotionalen und geistigen Entbehrungen ihrer Kindheit.
Der narzisstischen Liebe ihrer Mutter ausgesetzt, der liebevollen Gleichgültigkeit ihres Vaters ausgeliefert und mit dem ihr immer vorgezogenen Bruder Edvin, wächst Tove in Kopenhagen der 20er Jahre auf.
Die Familie ist arm, der Vater zwischendrin auch eine Zeit lang arbeitslos. So flüchtet sich Tove bald in die Poesie und in ihr pittoreskes Innenleben.
Nach außen hin trögt sie für alle anderen eine Maske, denn sie spürt, sie fühlt und denkt anders.
„Einmal fragte ich ihn: „Was bedeutet Kummer, Vater?“ Ich war bei Gorki auf dieses Wort gestoßen und liebte es. Er überlegte lange, während er über seine gezwirbelten Schnurrbartenden strich. „Das ist ein russischer Ausdruck“, antwortete er dann. „Es bedeutet Schmerz, Elend, Trauer. Gorki war ein großer Dichter!“ Er runzelte die Stirn und erwiderte: „Bild dir bloß nichts ein. Ein Mädchen kann kein Dichter werden.“ Ich zog mich gekränkt und betrübt wieder in mich selbst zurück, während meine Mutter und Edvin über meinen abstrusen Einfall lachten. Ich schwor mir, nie wieder jemand anderem meine Träume zu verraten und hielt mich meine ganze Kindheit über daran.“
Das Schreiben und die Poesie helfen Tove die fehlende Geborgenheit und Anerkennung in ihrer Kindheit zu überstehen.
Die Autorin schreibt in einer intensiven, dichten Sprache die Brutalität des Aufwachsens der damaligen Zeit in einer Arbeiterfamilie.
Poetisch, atmosphärisch und bedrückend.
Ich freue mich schon auf Band 2 und 3! (Februar)