Verena Kessler

“Ich weiß nicht, ob ich mir je sicher sein werde, dass die Entscheidung richtig war. Vielleicht geht das auch gar nicht. Woher soll man das auch wissen? Man hat entweder Kinder, oder man hat keine. Niemand macht beide Erfahrungen.”
In ihrem zweiten Roman beschäftigt sich Verena Kessler dem emotionsgeladenen Thema Frausein und Mutterschaft.
Muss jede Frau einmal Mutter werden, oder ist es nicht vielmehr vernünftig angesichts der Klimakrise und Überbevölkerung keine Kinder mehr in die Welt zu setzen? Sind alle Mütter denn automatisch glücklich? Ist ein Leben ohne Kinder gleich sinnlos?
Verena Kessler schreibt über vier Frauen, deren Leben sich in irgendeiner Form mit der Mutterschaft auseinandersetzt.
- Da wäre die Journalistin Sina, die mit Partner Milo seit geraumer Zeit verzweifelt versucht schwanger zu werden. Oft fragt sie sich, ob sie überhaupt als Mutter geeignet wäre und ob sie die zahlreichen Versuche nur Milo zuliebe mitmacht. Würde er auch ohne Kinder mit ihr zusammenbleiben?
- Sina interviewt die Lehrerin -Eva- Lohaus, eine Lehrerin, die die Position vertritt, man dürfe keine weiteren Kinder mehr bekommen um die stetige Bedrohung der Klimakrise und der knapper werdenden Resourcen entgegenzuwirken. Ob man die Krise überhaupt noch verhindern kann ist auch für sie fraglich. Social media und die Presse starten eine Hetzjagd auf die “Kinderhasserin”. Sie flieht aufs Land und begegnet der Nachbarstochter. Durch die täglichen Treffen für die Mathenachhilfe ist Eva nicht plötzlich bekehrt, doch lernt sie ihre Ansichten und Überzeugungen etwas vorsichtiger und sensibler vorzutragen.
- Mona ist Mutter eines Sohnes, sowie von Zwillingsmädchen und die ein Jahr ältere Schwester von Sina. Sie liebt ihre Kinder und Familie, aber fühlt sich vom Leben abgehängt. Das Muttersein verlangt ihr alles ab. Immer wieder fragt sie sich wo etwas für sie selbst in diesem Leben bleibt. Nachdem Milo bei Sina ausgezogen ist, fliegen die Schwestern gemeinsam in den dringend benötigten Urlaub, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen.
- Diese Frau bleibt namenlos. Ihr Kind verstarb nach schwerer Krankheit. Auch nach 6 Jahren ist sie nicht in der Lage ins Leben zurückzufinden. Der Schmerz will nicht vergehen. Die Arbeit im Sekretariat einer Schule (an der Eva Lohaus unterrichtet hat) hat sie aufgegeben. Seitdem wechselt sie ihre Jobs und versucht irgendwie weiterzumachen.
Ich hatte ein wenig Angst davor dieses Buch zu lesen. Angst davor, wie sehr es mich an einer verwundbaren Stelle treffen könnte. Und ja, manchmal hat es gepiekst. Aber dennoch ist es ein großartiges Buch, welches nicht anprangert und keine Stellung bezieht.
Vielmehr ist es eine Art Anstupsen in Richtung einer Brücke des gegenseitigen Verständnisses. Nicht jede Frau möchte Mutter sein. Nicht jede Mutter ist immer nur von Glück erfüllt. Nichts davon ist falsch und die Entscheidung muss jede Frau für sich treffen.
Vor allem Sina und ihre Schwester Mona haben es mir angetan. Hierzu gibt es erstaunlich große Parallelen zu meinem Leben. Das Schicksal der vierten Frau ist denke ich die größte Angst eines jeden Elternteils. Hier hatte sich den gesamten Abschnitt über eine schwere Traurigkeit über mich gelegt. Wie macht man weiter, wenn man zwar Mutter, aber ohne Kind ist.
Ein großartiger Roman den ich nur empfehlen kann. Für einen sensibleren Dialog bei diesem komplexen Thema.
(unbezahlt/ selbstgekauft)
Erschienen: Hanser Berlin