– Macht –

Heidi Furre

„Mein ganzes Leben lang habe ich gedacht, ich sei frei und souverän. Bis ich kapierte, dass das nicht so stimmt. Dass solche Dinge jedem und jederzeit passieren können. Das ist es, was mich so beschäftigt. Nicht der Vorfall an sich, sondern der Terror seiner Existenz.”

Ich fühlte mich Liv sehr nahe, mit ihrer Art mit den Dingen umzugehen, wie sie denkt und wie sie versucht die Kontrolle wiederzuerlangen über ihr Leben, ihre Gefühle und den “Vorfall” endlich hinter sich zu lassen. Sie fühlt soviel und doch ist da diese Leere, dieses Stumpfe, dass in ihr zurückgeblieben ist. Ein Teil von ihr ist in dieser Nacht gestorben. Nun muss sie den Rest neu organisieren.

Liv, die als Pflegerin arbeitet, hat ihre Vergewaltigung vor knapp 15 Jahren nicht verarbeitet. Ihr Ehemann weiß nichts davon. Sie will kein Opfer sein, sieht sich nicht als eine “dieser Vergewaltigten”. 
Doch sie kann sich dem Trauma nicht entziehen und verfällt immer wieder einem Gedankenkarussell, den Erinnerungen und der Frage nach der Schuld.
Hat sie sich ausreichend gewehrt? Hat sie deutlich genug abgelehnt? Sie ging doch freiwillig mit. Was hat die Vergewaltigung mit dem Vergewaltiger gemacht? Denkt er noch an seine Tat? An sie?
Es kommt der Punkt an dem sie die Macht wiedererlangen will.

Eindringlich, kraft- und ausdrucksvoll beschreibt Heidi Furre was -danach- kommt. Eine Frau überlebt eine Vergewaltigung, schwebt aber dennoch in einem Zwischenraum, aus dem sie wieder herauszukommen versucht. Auf Grund der Ich-Perspektive sieht man sich schnell in der Position der Protagonistin und lässt einen die Auswirkungen auf ihren Alltag miterleben. Dies hat bei mir eine Erinnerung nach der anderen an die Oberfläche geholt. Jegliche Belästigung, jegliche brenzlige Situation, unpassende Kommentare.
In keiner Sekunde kam mir die Story aufgesetzt oder unrealistisch vor.
Furre musste absichtlich Distanz aufbauen um über die unsägliche Traurigkeit schreiben zu können und so ein ein Bewusstsein dafür zu schaffen, welche Folgen und Überlegungen sexuelle Gewalt nach sich ziehen.

Ich habe die ersten Rezensionen zu -Macht- von Heidi Furre gelesen. Es wurde gesagt, die Protagonistin wäre unsympathisch, sie hat einen nicht berührt und das Buch hat nicht gefesselt.
Dem muss ich absolut widersprechen. Für mich war klar, dass ihre Gefühle in weiter Ferne sind. Abgespalten seit dem Tag der Vergewaltigung. Keine Hysterie, kein Durchdrehen vor aller Augen. Sie zeigt sich nicht als Opfer. Vielleicht liegt es daran, dass so wenige Zugang finden.

Übersetzung aus dem Norwegischen: Karoline Hippe

Vielen Dank an Dumont Verlag für dieses unglaubliche Rezensionsexemplar. Unbezahlt.

Veröffentlicht von booksandtwins

Books/ Twinmom/ Reader/ Writer There's just parts of me that you can't have. No-one can.

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