– Im Bauch der Königin –

Karosh Taha

Es war meine erste Wendebuch-Erfahrung. Vorab: Mit Wendebuch ist keineswegs irgendeine DDR-Story gemeint. Es ist ein Buch, welches von zwei Seiten gelesen werden kann und jeder Beginn aus einer anderen Perspektive, trotz Überschneidungen in der eigentlichen Geschichte.

Als leichte Entscheidungsneurotikerin, hatte ich zu Anfang echt ein Problem…ich habe das Buch beginnen wollen, aber konnte mich ehrlich gesagt erst gar nicht entscheiden, mit welcher Seite ich starten soll. Einige Male habe ich das Buch zur Hand genommen, erst den letzten Satz, dann den ersten Satz beider Geschichten gelesen. 

Wird mich der erste Blickwinkel bereits meinungstechnisch beeinflussen oder schaffe ich es neutral zu bleiben und auch die zweite Wahrheit unvoreingenommen zu lesen?!

Schließlich begann ich die Geschichte um Raffiq, seine Beziehung zu Amal, die bald für ein Jahr nach Chicago gehen möchte und seine Freundschaft zu Younes, dessen Mutter Shahira als Hure im kurdischen Viertel verschrien ist.

Sie ist alleinerziehend, lebt ein (auch sexuell) selbstbestimmtes Leben und zieht mit ihren Outfits die Blicke aller Leute auf sich.

Raffiq, kurz vorm Abi, scheint orientierungslos umherzutingeln, ist sich aber sicher die Familie bei der Rückkehr nach Kurdistan nicht begleiten zu wollen.

Die andere Geschichte erzählt von Amal, deren Vater die Familie verlassen hat, um zurück in Kurdistan sein eigenes Architektur zu eröffnen. Eher burschikos und ein Wildfang, sieht sie sich den permanenten Vorwürfen aus ihrem konservativen Umfeld ausgesetzt, die ihr immer wieder nahe legen, sie solle sich endlich wie ein braves „normales“ Mädchen verhalten.

Da ihr die Situation unerträglich wird, fliegt sie kurzerhand nach Kurdistan zu ihrem Vater und seiner zweiten Familie.

Zwei Geschichten, zwei Wahrheiten. Es gibt nicht -die- eine große Wahrheit und doch findet man immer wieder Überschneidungen. Für mich war Shahira und ihre Freizügigkeit die einzige Konstante in dem Buch. Jeder ist gleichermaßen fasziniert von ihr, als auch provoziert durch ihren Lebenswandel.

„Sie ist allein, sie ist mit sich, sie ist für sich, sie ist sich, sie ist nicht Shahira Shafiq, die Tochter von Anisa und Ramazan, sie ist nicht eine Frau, sie ist nicht ein Mensch, sie ist viel mehr und sie ist nichts, sie läuft und sie atmet und sie ist da und über ihr steht Gott und sagt, schau dir mein Werk an, bewundere es.“

Ich fand die Sprache von Karosh Taha wirklich erfrischend. So kraftvoll, allein die Beschreibungen von Shahira sinnlich, wie bei 1001 Nacht…klug und witzig.

Ein tolles Buch! Ich behalte die Autorin und die weiteren Werke, die hoffentlich folgen, bestimmt im Auge.

Veröffentlicht von booksandtwins

Books/ Twinmom/ Reader/ Writer There's just parts of me that you can't have. No-one can.

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