Pajtim Statovci

-Meine Katze Jugoslawien- von Pajtim Statovci war eines der besten Bücher, die ich 2024 gelesen habe.
Der junge Bekim lebt in Finnland, ist queer, zurückgezogen und isoliert. Seine Familie floh aus dem Kosovo nach Finnland in der Hoffnung auf ein besseres Leben und in Sicherheit vor dem Krieg, der sich gerade angekündigt hat. Doch das neue Zuhause wird nie zur Heimat, denn als Flüchtling wird die Familie diskriminiert, erfährt immer wieder Fremdenhass und Vorurteile. Im Gegensatz zu den vier Kindern, die die neue Sprache schnell beherrschen und sich einfacher an die neuen Begebenheiten anpassen können, kommen Bekims Eltern nicht so leicht im fremden Land an. Dies führt unweigerlich zu Problemen innerhalb der Familie bis sich Eltern und Kinder mit der Zeit entfremden.
Bekim lebt allein, studiert, trifft sich für Sex mit Männern, die er beim Online-Dating klar macht. Obwohl er bildungstechnisch den Absprung schafft, zeigt ihm die Gesellschaft ein ums andere Mal, dass er nie dazugehören wird. Die Ignoranz und Stupidität seinr Mitmenschen widert ihn an, denn in seinen Augen begreifen sie nicht ansatzweise was überall auf der Welt um sie herum für Gräueltaten geschehen. Aus einer Laune heraus beschafft er sich eines Tages eine Schlange, die er frei in der Wohnung umherziehen lässt. Eines Tages trifft er in einer Schwulenbar auf eine sprechende Katze. Sie ist homophob, toxisch und manipulativ. Kurzerhand nimmt er sie jedoch bei sich auf und beginnt eine Beziehung zu ihr.
Rückblende: Im Jugoslawien der 80er Jahre trifft die siebzehnjährige Schönheit Emine auf Bajram, der sie im Vorbeifahren angesprochen hat. Kurze Zeit später, hält er mit Unterstützung seines eigenen Vaters bei Emines Vater um ihre Hand an.
Ihr Verehrer gilt als eine mehr als gute Partie. Er studiert in Pristina und seine Familie ist gut situiert. Während die Männer Emines Zukunft verplanen, weist ihre Mutter sie in die Pflichten einer Ehefrau ein, die nur einen Zweck zu erfüllen hat: dem Mann zu gehorchen, zu dienen und seine Kinder zu gebären.
Alles andere wäre unehrenhaft und würde der Familie Schande bringen.
Schon mit fünfzehn wurde Emine klar, dass ihre Chancen im Leben nicht die Besten sind. Ihre schulischen Leistungen waren gerade ausreichend, sie hat keine herausstechenden Talente und selbst wenn sie über Intellekt und Bildung verfügen würde, wäre das in ihrem Umfeld nicht von Bedeutung, denn dort hatten nur Männer etwas zu sagen. Aus diesem Grund hoffte Emine seit jeher auf einen guten Ehemann. Doch bereits in der Hochzeitsnacht wird Bajram gewalttätig. Um ihren Alltag zu ertragen, verschreibt sie sich ihrer Rolle als tadellose Hausfrau.
Pajtim Statovci hat einen unglaublich wichtigen Roman über Ausgrenzung, Migration und Krieg geschrieben. Es ist wirklich beeindruckend wie er die schweren Begebenheiten von Einsamkeit, Gewalt und Exil auf so berührende Weise zu Papier bringt. Die Bedrohung durch den Krieg im Kosovo, der Hoffnung auf Sicherheit und ein besseres Leben, die Verwundungen durch die Gesellschaft, für die sämtliche Bemühungen nicht zählen, ganz gleich wie gut man arbeitet, die Sprache spricht und sich engagiert.
Es gab so einige Stellen in diesem Buch, die mir die Kehle zuschnürten und bei denen ich Tränen vergossen habe. Den Krieg kenne ich nicht (ein unsägliches Glück so etwas sagen zu können) aber die Erfahrungen von Migranten sind mir so nah, sie gehen mir unter die Haut, weil ich auch eins dieser Kinder bin, die zwischen den Grenzen aufgewachsen sind. Den magischen Realismus und die Symbolik der Katze, die als dreckig und unheilbringend in Bekims Kulturkreis gilt, war zuerst skurril und befremdlich, doch letztendlich habe ich verstanden, dass manche Dämonen einen noch lange heimsuchen und zu ersticken drohen. (Schlange)
Stefan Moster hat hier meiner Meinung ganze Arbeit geleistet mit seiner Übersetzung. Die Gefühle, Gedanken und Ängste von Einwanderern hat er einfühlsam und leicht zugänglich vom Finnischen ins Deutsche transportiert. Bravo!