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Jehona Kicaj

Jehona Kicaj (@jehona_kcj )hat mit ihrem Debütroman -ë- einen außergewöhnlich eindrucksvollen und intensiven Weg gefunden, um über unsagbare Ereignisse zu erzählen.
Seit Tagen ringe ich um Worte. Ich weiß was ich fühle und habe tausend Gedanken zu diesem Roman, doch alles was ich schreibe klingt unzureichend, platt und dumm. Vergebt mir.

Die namenlose Ich-Erzählerin wächst als Tochter von Flüchtlingen aus dem Kosovo in Deutschland auf. Stetige Probleme sind für sie die Entwurzelung zu begreifen, den Neuanfang zu meistern und die hinterlassene Traumata zu bewältigen.
Die permanente Anspannung sich einzufügen, korrektes Deutsch zu sprechen, sich in die Gesellschaft nahtlos hineinzuassimilieren, führt bei ihr zu einer schweren Form des Bruxismus, bei der sie durch extremes Knirschen langsam aber sicher ihre Zähne und damit über kurz oder lang auch ihre Sprechfähigkeit zerstört.

Episodenhaft erinnert sie sich an ihr Leben und das Aufwachsen in Deutschland mit einer neuen Sprache, die nicht die ihre ist. Ihre Muttersprache verblasst und die neuen (deutschen) Worte zu sprechen führt zu unangenehmen Kieferschmerzen, während ihre “Mutterzunge” im Vergleich dazu wohltuend wirkt.
Sie erlebt regelmäßig Rassismus wenn sie zum Beispiel aus Ignoranz als Serbin gelesen oder an der serbischen Grenze schikaniert wird. Oft stößt sie auf gesellschaftliches Unverständnis, wenn sie durch Unkenntnis von deutschen Brauchtümern und Traditionen auffällt.

So wie der Buchstabe ë im Albanischen oft stumm bleibt, ist auch die Protagonistin in einer lähmenden Schweigsamkeit gefangen und steht vor den langsam verblassenden Erinnerungen an die unaussprechlichen Gräuel ihrer Landesgeschichte, während sie dafür eine eigene Sprache sucht, die es erst zu erlernen gilt.

Auf verschiedenen Zeit- und Erzählebenen tastet sich Jehona Kicaj auf vergleichsweise wenig Seiten an Themen wie Identität, Zugehörigkeit und Sprache heran. Klug und durchdacht fängt sie einen Sinn für das Fassungslose, für Verlust und das Unsagbare ein, um so die erschütternde Geschichte der Kosovo-Albaner zu erzählen und welche Verbrechen an ihnen verübt wurden. Eine nachhallende Lektüre, die in leisen Tönen und besonderer Erzählweise über Schmerz spricht und diesen spürbar macht.

Absolute Empfehlung!

Erschienen im @wallsteinverlag
[unbezahlt| selbstgekauft]

Veröffentlicht von booksandtwins

Books/ Twinmom/ Reader/ Writer There's just parts of me that you can't have. No-one can.

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