Deniz Utlu

“Der erste Satz, den er mit den Augen sprach: Öldüm sandim. Mutter und Sema atmeten auf, sie hatten die Verbindung zu meinem Vater wiederhergestellt. Sein erster Satz lautete: Ich dachte, ich sei tot.”
Yunus’ Vater Zeki hatte zwei Schlaganfälle und befindet sich seitdem im Locked-in-Syndrom. Fast vollständig bewegungsunfähig kann er nur noch über seine Augen kommunizieren. Seine Augenzunge. Während Yunus zum stetigen Lernen für die Schule angehalten wird, kümmert sich Mutter Senem aufopfernd sowohl um ihren Mann, der zum völligen Pflegefall wurde und die Erziehung ihres Sohnes.
“Wer je nur einen Moment die Erde berührt hat, der ist für immer hier, denkt er. Zeki atmet ein, tief zieht er diese Welt in seinen Körper, das Leben schmeckt nach Meer.”
Als Yunus für sein Studium die elterliche Wohnung verlässt, nimmt er die Geschichten rund um seinen Vater und seine Familie mit. Mit dem eigenen Erwachsenwerden nimmt er das bewegende Erwachsenwerden des Vaters unter die Lupe, jede Niederlage, jeden Erfolg, jede neue Sprache, die seit dessen Abreise aus Mardin hinzugekommen ist.
“Ich stelle mir vor, dass der eine hört, was ich dem anderen sage. Aber wie im Traum. Unter Wasser gesprochen. Wo die Wässer der Erinnerungen und jene der Imagination ins selbe Meer fließen.”
In den Erinnerungen fühlt er sich seinem Vater nah und versucht darauf sein eigenes Leben aufzubauen.
“Ich kenne den Weg zu meinem Vater.”
Dieser Roman hat mich durchgehend in eine melancholische Sehnsucht versetzt. Die Bilder und Erinnerungsfragmente sind wunderschön, hochatmosphärisch und voller Wärme. Deniz Utlu findet sensible Worte für eine Familie derer schmerzlichsten und schönsten Momente wir Zeuge werden.
Für mich ein unvergessliches Buch.
(unbezahlte Werbung/ selbstgekauft) erschienen bei Suhrkamp Verlag